„Laaaaangweilig“, tönte es aus der zweiten Reihe als wir gleich beim Auffahren auf die Hamburger Autobahn in den ersten Stau gerieten. Und ich kann euch sagen, der Tag wurde auch insgesamt nicht mehr viel aufregender. Wir hatten eine Etappe von 618 km vor uns, wollten eigentlich vom Schlechtwetterprogramm auf Badewetter umschalten und hatten dafür einen Campingplatz im Uffenheimer Freibad gebucht. Ein Zwischenstopp war in Hannover geplant, um uns die Füße zu vertreten und Mittagessen einzukaufen. Das war’s dann aber auch.


Hannover hat schon viel erlebt: Im 17. Jahrhundert war sie die Hauptstadt des Kurfürstentums Hannovers, eine Zeitlang sogar mit dem britischen König als Kurfürst. Im 19. Jahrhundert wurde Hannover ein Königreich und ging wenig später an die Preußen über. Seit 1946 ist sie nun die Hauptstadt des Bundeslandes Niedersachsen. Was vom Königreich blieb? Hochdeutsch in Reinkultur, zu mindestens behaupten das die Hannoveraner von sich. Hannover hatte viel früher eine große Altstadt mit vielen mittelalterlichen Fachwerkhäusern. Nur 40 von ihnen wurden im zweiten Weltkrieg nicht zerstört und waren über die ganze Stadt verteilt. In den 50er Jahren wurden sie sorgfältig abgetragen und in der Altstadt wieder aufgebaut. Heute gehört sie mit über 500.000 Einwohner:innen zu den 15 größten Städten Deutschlands.


Reisen im WoMo ist eigentlich ziemlich komfortabel. Die Kinder haben einen Tisch, Pinkelpausen können immer und überall gemacht werden, die Getränke sind jederzeit gekühlt und alles steht mehr oder weniger griffbereit zur Verfügung. Für alle Kontrollfreaks wie mich, die gerne immer alles dabeihaben, perfekt. Monk darf man halt keiner sein – das geht sich dann nur schwer aus, weil allein durch die Fahrtbewegungen in irgendeinem Stauraum die Ordnung gestört werden kann. Oder durch Kinder, dann braucht es keine Fahrtbewegung dazu. Kinder und Fahrtbewegungen sind doppelt spannend, da es leicht passieren kann, dass Gegenstände mehrmals hintereinander runterfallen. Das erschrickt den Fahrer und nervt die Beifahrerin. Kommunikation als Zauberwort hilft immer! René macht nun die Navigation für seheingeschränkte Mitfahrende: „Achtung Kurve links“ – „Vorsicht Kurve rechts“ – „Aufpassen, Bodenwelle“! Nach jeder Ansage fahren die Arme und Beine in alle Richtungen aus, halten Trinkflaschen, Jausenboxen, Handies, Bücher, Taschentücher, Stofftiere oder sonstiges Zubehör fest. Wenn dann doch das eine oder andere Ding fliegt, klingt ein kurzes „Geh bitte“ im Mundl-Stil nach.


Was mir auch aufgefallen ist: Nicht Schweden ist das Land von IKEA, nein in Wahrheit ist es Deutschland. Bei gefühlt jedem Autobahnkreuz ragt der Schriftzug in gelb auf blau einladend empor. „Teelichter und Servietten gehen immer“, merkte ich an, wurde jedoch absichtlich überhört. Sonst kamen wir mäßig gut voran. Die Deutschen stehen gerne im Stau, manchmal scheinbar grundlos, manchmal wegen verwaister Baustellen und manchmal einfach, weil sie es können. So wurden aus den geplanten fünf Stunden dann sieben.


Als wir in Uffenheim ankamen, war von Summertime weit und breit nichts zu sehen. Der Boden war nass und die kühlen 17 Grad ließen darauf schließen, dass es auch hier geregnet hatte. Von unserem Stellplatz mit direktem Blick auf die Wasserrutsche fühlten sich die Kinder verarscht, deshalb wurde gleich bei der Ankunft die Windschutzscheibe verhängt – man muss sich ja schließlich nicht alles bieten lassen. Aber was nun? Wir überlegten, ob wir einander wieder ein bisschen im Weg stehen wollten, um die Zeit zu vertreiben, oder aber einfach einmal früher ins Bett und ein Buch lesen. „Ein Buch?“ – eine stromlose Alternative mit vielen Buchstaben, die in ein Phantasieabenteuer führt, aus dem es möglicherweise kein Entkommen mehr gibt. Gekauft, ausprobiert und für gut empfunden. Aber der nächste Tag musste wieder etwas mehr bieten. Okay!