‚cause I can: Das Motto des diesjährigen Frauenlaufs. Ich führe ja ein meist bewegtes Leben, manches möchte ich bewegen, vieles bewegt mich, auch ganz ohne mein Zutun. #WoSindWirFalschAbgebogen. Beim Laufen bewegt sich auch definitiv etwas, manchmal auch ich:
Der Frauenlauf war noch nie eine freie Entscheidung für mich. In den letzten Jahrzehnten machte ich damit meiner Freundin Andi eine Freude, heuer das erste Mal auch meiner Tochter. ‚Doppelt schön‘, dachte ich mir, als ich die Anmeldung irgendwann vor Monaten abschickte. Und noch ewig Zeit. 5 km. Gar kein Problem.
Sonntag, heute, um 7.50 im Startblock des besagten Events erinnere ich mich an diesen Moment und lächle verkrampft: Mal wieder nicht trainiert. Der Startschuss fällt und unser Startblock setzt sich in Bewegung. Ich laufe, oder besser gesagt ich werde gelaufen: In den ersten Minuten des Laufs bestimmt der Block das Tempo, nicht du.
In dieser Phase des Laufs werde ich zur Philosophin: Was bewegt hier die Masse? Was um alles in der Welt treibt sie an? Wer ist hier auf der Flucht? Ist der Weg das Ziel? Und was mache ich eigentlich hier? Nach ein paar Minuten ist meine Lauf-Playlist zu Ende, weil ich es geschafft habe, original nur zwei Lieder dafür auszuwählen. Danach spielt mein Handy Musik, von der es sich denkt, dass ich sie mag oder sie zu der Situation passt. Die technische Beziehungskrise ist aufgrund Nicht-Programmierung meinerseits, vorprogrammiert, aber ich zu beschäftigt Schritt zu halten.
Nach dem ersten Kilometer setzt die Phase der Frustration ein: Warum hat mir niemand gesagt, dass ich es auch sein lassen hätte können. Wie sinnbefreit ist das. Eigentlich bin ich zu alt für diesen Scheiß. Und was machen noch immer alle da? Kurz überlege ich, ob es situations- und altersadäquat wäre, noch einmal kurz aufzustampfen und sich dann im Schneidersitz mitten auf der Laufbahn dem stillen Protest hinzugeben. … wohl nicht…
Bei Kilometer Drei beginne ich mit dem Schicksal zu verhandeln: Was wäre eine in Aussicht gestellte Belohnung, die mich weiter motivieren könnte, hier einen Fuß vor den nächsten zu setzen. Ich überlege angestrengt. Was würde meine Dopamin-Sehnsucht jetzt stillen? … Mir fällt nichts ein. Mir fällt auch weiterhin nichts ein, aber ich sehe das 4km-Schild.
Ich akzeptiere meine miserable Lage, auch schon allein deshalb, weil es sich für 1km nicht länger lohnt, im Widerstand zu bleiben. Ob sich Widerstand in dieser Situation überhaupt lohnt, kann ich mir beim ersten Kilometer im nächsten Jahr überlegen. Ich nehme die Menschen am Rande der Laufstrecke wahr, lese die motivierenden und lustigen Schilder, sehe wie jüngere Kinder sich freuen, wenn die Läuferinnen mit ihnen einschlagen, höre die Trommler:innen, die den Rhythmus vorgeben. Ich lasse die Emotionen zu, den Frust los und merke, wie sich die Freude einstellt, als ich den ersten Blick auf den bunten, mit Luftballons gestalteten, Zieleinlauf erhasche.
Und dann ist es auch wieder vorbei. Ich blicke in glückliche Augen roter und verschwitzter Gesichter, die einander gratulieren und schon vom nächsten Jahr sprechen. Der Weg zur Hölle ist ja sprichwörtlich mit guten Vorsätzen gepflastert: Also schau ma mal, wie (s)ich die Vorbereitung nächstes Mal gestalte(t) – ‚cause I can.