23.07.2023 │ Hamburg

Moin! Moin! Tagwache um 6.00 Uhr morgens – genau unsere Zeit! Um diese Zeit hatte noch nicht einmal Lucy viele Worte. Der Regen prasselte aufs Dach und ich hoffte auf die üblichen 15 Minuten. Doch als wir um 6.45 zu Fuß grummelnd zur Busstation aufbrachen, regnete es noch immer. Am Dornröschenweg Ecke Königskinderweg sollten wir den Bus Linie 191 nehmen. Normalerweise hätten mich diese lieblich klingenden Straßennamen entzückt – für diesen Moment war es aber noch zu früh. 

Während wir auf den Bus warteten, machten wir Bekanntschaft mit einer Schweizer Familie, die wir noch öfters an diesem Tag treffen sollten. Auch sie hatten das volle Touri-Programm geplant! Sie wohnen in der Nähe von Zürich und ich erinnerte mich an mein 3-monatiges Praktikum dort vor 30 Jahren(!) Ich rechnete noch ein paar Mal nach, aber es wurden nicht weniger Jahre! Bevor ich eine Midlife-Crisis aufreißen konnte, fuhr der Bus in der Station ein und wir nach zweimaligem Umsteigen bei der Landungsbrücke des Hamburger Hafens aus. 

Der Fischmarkt hatte noch eine Stunde geöffnet und das frühe Aufstehen hat sich wirklich gelohnt: Fisch, Gemüsestände, Gewand und Souvenirs, Marktschreier und -innen, die ihre Ware feilboten. Ein kunterbunter Anblick in heiterer Atmosphäre. Während die einen um die letzten Schmankerln feilschten, tranken die anderen beim Jamaica Coffee-Stand einen Espresso und lauschten den Reggae-Klängen.  

Am Ende die Fischaktionshalle, wo um 8:30 bereits die Hölle abging. „An Tagen wie diesen, wünsche ich mir Unendlichkeit“, tönte es lautstark aus den Boxen als wir die Halle betraten. Die Cover-Band Amarock gab für die Übriggebliebenen der Reeperbahn die letzte Möglichkeit das Tanzbein zu schwingen. Und da waren sie wieder, unsere „Schweizer Freunde“. Unter den 70.000 Besuchern, die sich hier sonntags tummeln, fünf bekannte Gesichter zu sehen, gab ein gutes Gefühl!

Während danach die meisten wohl heim schlafen gingen begann unsere Reeperbahntour erst. Der Name Reeperbahn geht auf die Reepschlägern zurück, die die Taue für große Schiffe herstellten und dazu eine lange Gerade brauchten. Das zum harmlosen Teil des Viertels. Als wir an der Herbertstraße vorbeikamen, rief dies ein wenig Erklärungsbedarf hervor und wir gaben unser Bestes ein kindgerechtes, aber ehrliches Erklärungsmodell zu beschreiben. Mit einem „Wäh“ war es erledigt. Danach hatten wir uns ein Frühstück verdient.  

Dann war ein Besuch im FC St. Pauli Fanshop Pflicht. Der 1910 gegründete Verein vermittelt für seine Mitglieder ein Lebensgefühl und ist ein Sinnbild für authentischen Sport. Er übernimmt zudem soziale Verantwortung gegenüber dem Stadtteil St. Pauli. Unter dem Namen Kiezhelden werden zahlreiche Projekte unterstützt, die sich für Vielfalt und Chancengleichheit einsetzen.

Im Anschluss daran überquerten wir die Alster durch den Tunnel, der 24 m unter dem Fluss hindurchführte. Genau nachdenken, was man da gerade eigentlich macht, durfte ich nicht. Meine Höhenangst fragte mich was mit mir falsch läuft, als ich die hundert Stiegen hinabstieg. Die Platzangst schloss direkt an, als ich in die lange Röhre blickte. 

Atmen war angesagt. Während Lucy beherzt neben mir sang, weil sie die Akustik hier so fein fand, starrte ich stur nach vorne und suchte angestrengt nach dem Licht am Ende des Tunnels. Um 1900 passierten rund 40.000 Arbeiter diesen Tunnel zweimal täglich. Heute sind es keine 500.000 im Jahr, was der Automatisierung und dem Werftensterben zuzuschreiben ist. 

Nach wenigen Minuten war die Challenge completed: Wir waren am Ziel – die Musicalhalle von König der Löwen lag vor uns, wo wir uns um 14.00 Uhr nach Afrika entführen ließen. Und wer saß drei Reihen hinter uns? Richtig, unsere Schweizer Freunde. Es war wirklich ein einmaliges Erlebnis auf allen Ebenen! Die Handlung vorhersehbar – war der Film ja nun auch schon wieder fast 30 Jahre alt. Die Zahl hatte es mir an dem Tag offensichtlich angetan. Die Gesangsstimmen erzeugten eine wohlige Gänsehaut, die eingebauten Witze waren auch für Erwachsene unterhaltsam und die spontanen Jauchzer der zahlreichen Kinder sorgten für zusätzliche Erheiterung. Am Ende ging es mit der Fähre wieder zur Landungsbrücke zurück. 

Die Schweizer waren schon weg, als wir die U-Bahn erreichten. Sie erwischten die Fähre vor uns und bereits am Weg retour. Da wir nach 18.000 zurückgelegten Schritten keine Lust auf weitere hatten, nahmen wir die U-Bahn zurück aufs Campingplatzgelände und kauften noch schnell bei einem Supermarkt yum-yums. Nicht weil wir dieses japanischen Instant-Nudelgericht gerne mögen, geschweige denn kennen, aber wir waren alternativenlos und die Kinderaugen blitzten. Sie kennen Youtuber, die yum-yums essen und die sind sooo cool. Ich äugte kurz einmal auf die Verpackung, um die Inhaltsstoffe zu checken: nach dem dritten E hörte ich auf. *Sch*** drauf, wir sind im Urlaub!“ – damit waren sie gekauft. 

Wir erreichten problemlos den Bus, der auch wenige Minuten später in die Station einbog. Und da waren sie wieder: Die Schweizer! Sie waren zuerst in die falsche Richtung eingestiegen und so beendeten wir den Ausflug gemeinsam, so wie wir ihn auch begonnen haben. Ordnung muss auch bei unseren westlichen Nachbarn sein! 

Was soll ich euch zum Abschluss eines gelungenen Tages in Hamburg noch sagen: Ich war die Einzige die ihr yum-yum aufgegessen hat. Und bevor die ersten wieder auf die Reeperbahn loszogen war es bei uns im Wohnmobil schon ganz leise, denn Morpheus hat uns nach dem aufregenden Tag sanft in seine Arme geschlossen. 

 

4 Kommentare zu „23.07.2023 │ Hamburg“

  1. Ein sehr unterhaltsamer Tagebericht aus Hamburg. Habt noch eine schöne Zeit, wir freuen uns, dass ihr bald wieder in Klagenfurt seid.

  2. coole Erlebnisse – und die grünen yum yums „wohnen“ in großer Menge in unserem Kasten zu Hause, für den Notfall, dass i. nix zu Essen findet 😉

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